Worte zum Reisen

"Ich mag die Liebe zum Detail und den Gedanken an die fremden Leben."

Fährfahrt


Ich trete an die Reling. Unter mir schäumt das Wasser. Die Fähre kämpft sich durch das Meer. Hinter uns der Horizont und vor uns das Festland. Finnland. Ich blicke nach rechts. Um uns herum viele kleine Inseln. Wie riesige Felsen ragen sie aus dem Meer hinaus, als hätte man sie vor einer Ewigkeit hier im Golf von Finnland einfach abgeworfen. Sie sind grün bedeckt. Hier uns da ist ein rotes Häuschen zu entdecken, mal mit einem richtigen Anleger für Boot oder ganz verlassen und einsam.

Der Wind weht mir die Haare ins Gesicht. Gänsehaut an meinen Armen. Skandinavien liegt vor uns. Nur ganz zaghaft blinzelt die Sonne hinter den Wolken hervor. Sie wirft ihr warmes Licht auf einige der Inseln. Helsinki in weiter Ferne ist eingehüllt in Nebel und Schatten. 

Norwegen // Lyngseidet


Und ich versuche Orte, Momente und Begegnungen festzuhalten. Mit Worten und Bildern. Den Geschmack der Erdbeeren und den Geruch des Apfelkuchens, der mich an den Abend erinnert als wir alle zusammen auf der Couch saßen, lachten und die Katze um uns herum schlich. Den Wind und die sanften Wellen als wir im Kajak über den Fjord paddelten. Und ich will das Lagerfeuer festhalten, wie wir zusammensaßen und das Stockbrot am selbstgeschnitzen Holzspieß goldbraun brannte. Die Schokoladen-Marshmallow-Sandwiches und das Übersetzen diverser Wörter in all unsere Sprachen. Schnick-Schnack-Schuck wird zu Bim-Bam-Bum und wir lachen immer wieder über die selben Insider. Und da ist die Werkstatt und der Farbgeruch. Das fröhliche Gewimmel in der Solhov-Küche als wir Ravioli kochten, alle Gesichter strahlten vor Freude über die selbstgemachte Pasta. Und der Moment der Stille nach den ersten Bissen, als jeder für sich, so dankbar für alles, die gemeinsame Mahlzeit genoss. Das Laufen durch den Regen, durch den Wald. Am Lake vorbei zur Skihytta. Und ich will die Mittagssonne festhalten, den Gartentisch hinter dem Haus. Die gewagten Kombinationen an Brotaufstrichen, Yogi-Tee und heiße Schokolade. Gespräche und Blicke, die nach angebrannten Zwiebeln duftende Küche am Abend und der Kampf um den letzten Löffel Erdbeereis. Eine Zeit voller goldener Momente, die vergänglich sind. Aber ich trage sie in meinem Herzen, ich halte sie fest mit Bildern und Worten. 

Bestandsaufnahme


Stundenlang sehe ich den Wellen zu.
Ich mag Wellen. Und ich mag Regen.
Da war der Moment auf dem Gipfel.
Regen, fast schon Sturm. Ich mittendrin.
Kälte und ich stand einfach nur da.

Leuchttürme, Heißluftballons, Balkone.
Ich mag die Liebe zum Detail und den
Gedanken an die fremden Leben.
Ich mag es, wenn Seelen sich treffen,
nur für einen kurzen Augenblick.

Wärmende Sonne in meinem Gesicht.
Ich mag Sonne. Und ich mag Kaffee.
Ein Hauch von Zimt und Zuhause.
Mein Moment, ich mag alleine sein.
Doch Einsamkeit liegt stumm daneben.



Litauen // Klaipeda


Und der Wind fegt alles davon.
Die Gedanken lernen fliegen.
Und tragen die Zweifel hinfort.
Sie werden leicht, sie verblassen.
Alles ist gut, ich bin frei.
Das Leben ist leicht.
Und der Wind, er trägt alles hinfort.
Die Wut, die Zweifel, die Stille.
Aber nicht die Euphorie.
Und in mit herrscht nun Ruhe.
Der Wind wirbelt aufs Meer hinaus.
Und nimmt dich mit.

Kleine Leben


Die Sonne ist schon untergegangen.
Vor und hinter uns schon lange keine Scheinwerfer mehr. 
Wir fahren weiter durch die Nacht. 
Neben uns der rauschende Fluss glitzernd im Mondlicht. 
Vor uns schweben die Lichter dieser kleinen Stadt wie Glühwürmchen in der Dunkelheit. 
Und wir fahren durch die Straßen. 
Mit Holz verkleidete Häuser. 
Erleuchtete Eingangsbereiche mit Laternen und einem herbstlichen Kranz an der Tür. 
Jedes Haus ein Zuhause. 
Meine Blicke fanden die kleinen Bruchstücke an Leben ein. 
Eine Küche oder ein Wohnzimmer. 
Gemütlichkeit. 
Mal ein Bücherregal oder der flimmernde Kamin. 
Wärme. 
So viele kleinen Leben. 
Und keiner von ihnen weiß, dass sein Zuhause grad in mir so viel aufwühlt. 
Und viele kleine Leben, die trotz ihrer Nichtigkeit in dieser Welt unablässig einfach leben. 
Und ich lebe. 
Und ich reise. 
Meine Nichtigkeit in dieser Welt zu begreifen ist wohl ein Teil des Reisens. 

Finnland // Irgendwo im hohen Norden


Mit jedem Kilometer geht es weiter in den Norden. 
Den Polarkreis haben wir überschritten. 
Es wird kälter, die Tage werden länger. 
Unser Tagesrhythmus hat sich verschoben. 
Hell ist es bis weit nach Mitternacht. 
Das sind die schönsten Stunden. 
Es ist Tag und Nacht zugleich. 
Mehr Zeit für uns. 

6qm für uns. 
Ich schon im Schlafsack. 
Es ist kalt, doch die Luft zu klar um das Fenster zu schließen. 
Links neben uns der See und rechts der Wald. 
Ist das Freiheit? 

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